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AutorenbildLudger Freese

Die Geschichte vom Kalbsrücken, dem Segel und der Crew




Es ist Freitagmorgen und mein Blick auf Wetter.com verspricht nichts Gutes. Für unseren Segeltörn im niederländischen Harlingen ist Regen gemeldet. „Der Kauf einer neuen Regenjacke war eine kluge Entscheidung“, dachte ich mir. Bei leichtem Nieselregen wurde der Transporter beladen. Bier – sehr viel Bier, Weißwein, Rotwein, Säfte, Softdrinks und Spirituosen habe ich wegen der Ladungssicherung zuerst eingeladen. Sogar ein Zelt von 8 x 5 Meter ist verstaut worden, weil ja Regen gemeldet wurde. Die gekühlten Lebensmittel kamen erst kurz vor der Abfahrt ins Auto. Wie immer, habe ich sie in speziellen Thermoboxen mit viel Eis zum Kühlen verpackt. Für den Empfang im Hafen von Harlingen wurden das Finger Food, Bier, Riesecco und Säfte gepackt, weil das als erste benötigt wird.


Der Regen wurde stärker und die Stimmung im Auto war bescheiden. Meine Schwester Karin war mit dabei, um mich bei den Aufgaben an Bord zu unterstützen. Sie ist eine sehr wertvolle Hilfe für mich. Da ich für die Anfahrt zeitlich etwas eng getaktet war, wollte ich in Deutschland Zeit gutmachen, denn in Holland gilt auf den Autobahnen ein striktes 100 km/h Limit – das auch eingehalten wird. Leider ging mein Plan nicht auf, denn ich tapste schon nach wenigen Kilometern in eine Polizeikontrolle. 79 km/h anstatt 50 km/h – das wird teuer und schon wieder Zeit verloren.


Das Telefon klingelte während er Scheibensicher auf Stufe 2 lief. „Wann seid ihr da?“, lautete die Frage. Wir hingen fast 45 Minuten hinter unserer geplanten Ankunftszeit. Ich finde das immer peinlich, wenn der Gastgeber einer solchen Veranstaltung sich verspätet. Einige Teilnehmer waren schon einen Tag vorher angereist und hatten sich den Tag mit Bier und Sonne (!) verschönert. Erste Bilder wurden in die WhatsApp-Gruppe gestellt: WOLKENLOSER HIMMEL! Meine Sorgen waren völlig unbegründet. Alles wird gut.





Als Treffpunkt habe ich meinen Gästen gesagt, dass der große blaue Lastenkran (kann man als Hotel mieten) im Hafen ein Punkt ist, der weit sichtbar zu erkennen ist. Einige Mitsegler waren schon da und das Schiff -  die Poseidon -  lag ruhig im Wasser. Mein erster Blick gilt immer dem Stand des Hochwassers. Der Segler lag mit der Kaimauer auf einer Höhe. Das ist für die Beladung sehr hilfreich und wir mussten zudem nur über ein weiteres Schiff, das im Pak an der Poseidon lag. Nico hatte uns gleich erkannt und begrüßte uns sehr herzlich. Unser erster gemeinsamer Törn war im Jahr 2016. Daraus ist eine sehr harmonische Beziehung entstanden. Nico ist einfach ein feiner Kerl.


Langsam trudelten alle Teilnehmer ein. Die Begrüßung ist sehr herzlich, freundschaftlich und mit zahlreichen Umarmungen verbunden. Petra macht den Törn zum 5.mal mit und Thomas mit seinen Freunden geht zum 4.mal an Bord. Der Klapptisch ist aufgebaut, Decken auf den Tisch und das Fingerfood wird serviert. Dazu eiskaltes Bier und kühler Riesecco bei einem wolkenlosen blauen Himmel. Das Leben kann so schön sein. Im Hintergrund liegt im Hafenbecken eine Walattrappe, die regelmäßig aus dem Blasloch eine hohe Fontäne ausstößt. Das erste „Get-together“ ist mit viel Lachen und Gesprächen verbunden. Für mich immer ein Indiz, dass die Mannschaft gut zusammenpasst.





Nachdem alle Fahrzeuge außerhalb des Hafengebiets geparkt sind, gab unser Skipper das Zeichen, dass wir die Lebensmittel, Getränke und Reisetaschen laden können. In einer langen Kette wurde alles weiter gereicht und sehr schnell verladen. Die vorher zugewiesenen Kajüten wurden bezogen. Die Aufgabe von Karin uns mir bestand darin, alles in die Kühlschränke zu verstauen und – ganz wichtig – das Bier kaltstellen. Vor der Abreise gibt Nico der gesamten Crew eine Sicherheitsbelehrung und zeigt auf einer Wasserkarte die Wegstrecke. Wind, Gezeiten und Strömungen sind mit ausschlaggebend, wohin wir segeln. Die Insel Terschelling ist unser Ziel am Freitagabend.





Mit Motorkraft verlassen wir den Hafen von Harlingen. Erste Vorbereitungen wurden unter Anleitung der Matrosin Esmai gemacht. Die Segel wurden ausgepackt und der Bark wurde herabgelassen. Nun heißt es laut und deutlich von Esmai: „Ich brauche 7 Leute…zack, zack…das Segel muss hoch…hopp…hopp!“ Erfahrungsgemäß springen am ersten Tag immer genügend Leute auf, ziehen ihre Arbeitshandschuhe an und folgen den Anweisungen. An der Seilwinde wird das Großsegel hochgezogen. Lautes rattern der Übersetzung ist zu hören – es wird immer schwerer. Wie beim Fußball wird nun gewechselt und zwei frische Kräfte drehen weiter, bis das Segel auf 28m Höhe hängt. Nun werden die Fock und das Besansegel hochgezogen. Erste Schweißperlen sind bei den „Jung-Matrosen“ zu erkennen. Der Motor wird nun ausgestellt – Ruhe! Für mich ein unglaublich schöner Moment, nur vom Wind getrieben zu werden. Diesen Moment liebe ich!


Jetzt ist es Zeit mich mit dem Skipper Nico abzustimmen, wie spät wir auf Terschelling sein werden. Das Abendessen muss geplant werden. Ich möchte im Hafen essen und nicht auf hoher See, weil das immer Unruhe bringt. Die Reise steht ja unter dem Motto: „Genuss unter Segel“ und nicht „Fast-Food-unter-Segel“ Für den ersten Abend plane ich immer ein leichtes Essen ein, dass nach einem langen Tag guttut. „Glasiertes Hähnchenfilet vom Kikok-Maishähnchen, Mango Salat, Baguette Brot und Kartoffelspalten“ – das ist das Gericht für die 22 Teilnehmer.   Pünktlich um 21:30 Uhr konnten Karin und ich das Gericht servieren. Dazu passende Weine, Bier, Eierlikör und „Alter Schwede“.  Als Hintergrundmusik habe ich Musik von „The Eagles“ ausgewählt.  Ich glaube, die Essens-Auswahl war gut, denn die Stimmung unter Deck war sehr gut. Schnell noch alles spülen, aufräumen und verstauen und gegen 22:30 Uhr haben auch wir Feierabend. Einige Gäste haben das Boot verlassen um die Insel zu erkunden.


6:45 Uhr am Samstag – ich liege noch im Bett. Erste Frühaufsteher sind schon an Deck und genießen die Morgensonne. Schnell duschen und dann beginnt die Herrichtung vom Frühstück. Kaffee koche ich immer sehr viel, weil jeder der mit seinen kleinen Augen und einem langegezogenen „Moooioiiin“ den Raum betritt und nach Kaffee fragt. Das Frühstück ist immer sehr üppig. Wurst, Fleischsalat, Lachs, viel Käse, Säfte, Joghurt, Früchte, verschiedene Brotaufstriche, Müsli, Corn Flakes, verschiedene Teesorten, Orangensaft, Milch, Wasser, Rühreier, Vollkornbrot und frische Brötchen – ich glaube, dass ich nichts vergessen habe. Alles soll ab 8:00 Uhr für die aufgeweckte Crew fertig sein. Ich mag dieses Frühstück, weil ich zusammen mit Karin immer allein an Deck esse. Das Abräumen und spülen dauert immer lange, weil immer noch Teilnehmer aus der Koje kommen. Es zieht sich, aber mit der Spülmaschine (90 Sekunden Laufzeit je Waschvorgang!) ist das zu schaffen. Am Abend vorher haben wir gemeinsam beschlossen, dass wir gegen 11:30 Uhr wieder in See stechen. Zeit genug für einen Inselbummel, Fahrradtour, Baden im Meer, Kneipen besuchen oder einfach an Bord bleiben.




Sehr pünktlich wird der Motor angelassen um Terschelling zu verlassen. Die Insel ist sehr groß (3,5 km x 30 km) und ein Besuch lohnt sich dort immer, denn der Strand ist einmalig schön. Wir steuern die Robbenbänke an. Sehr langsam nähern wir uns der sandigen Erhebung im Meer. Nico dreht das Boot so an die Bank, dass wir tolle Bilder machen können. Hin und wieder taucht eine Robbe auf, um zu sehen, wer das auf dem Boot ist. Die Robbe ist das größte Raubtier in den Niederlanden. Wir hatten Glück, denn die Anzahl der Robben war schier unendlich. Hunderte der Tiere lagen in der Sonne und ließen sich von der leisen Vorbeifahrt der Poseidon nicht stören.  Ein sehr beeindruckendes Bild, denn auch tausende von Seevögeln belegen die Sandbank.





Unsere Fahrt ging weiter Richtung der Insel Vlieland. Da es an diesem Samstag sehr windstill war, lohnte es sich nicht die Segel zu setzen. Ohne Motorkraft bewegte sich das Segelschiff kaum. Der Wind und die Strömung sorgten wir einen Stillstand. Also sind wir mit leichter Unterstützung und guter Stimmung nach Vlieland getuckert. Ich liebe die enge Hafeneinfahrt, die sehr gut angesteuert werden muss. Im Hafen konnten wir als erstes Schiff an der Kaimauer anlegen. (am andern Morgen lagen sieben Schiffe im Pak zusammen) Zu Mittag servierten wir an Deck eine Erbsensuppe mit heißen Wiener Würstchen.  





Der Hafen auf Vlieland liegt etwa 20 Gehminuten vom Dorf entfernt, aber nur 5 Gehminuten vom wunderschönen Strand. Da wir Sonne wie in der Südsee hatten, war für viel Gäste ein Bad im Meer angesagt. Die Begeisterung stand allen Badewilligen ins Gesicht geschrieben. Das Lächeln reichte von linken bis zum rechten Ohr. Nach hausgemachten Kuchen und Kaffee, stand der Nachmittag zur freien Verfügung. Das Smutje-Team begann aber schon mit der Vorbereitung zum „Gala-Buffet“. Kurz vor dem Essen haben Petra Pekeler und Manuela Harms ein Bier-Tasting an Deck der Poseidon veranstaltet. Sie sind eigens dafür einen Tag früher angereist um Bier aus der Harlinger Brauerei Het Brouwdok zu testen und für unsere Gruppe zu kredenzen. Das Tasting war sicherlich ein Höhepunkt der Reise, denn die beiden Fachfrauen haben das Bier erstklassig präsentiert. Danke dafür nochmals.


Zeitlich standen wir in der Küche unter keinem Druck. Schon um 16:00 Uhr waren die Tische im maritimen Style gedeckt, Menükarten verteilt und Gläser eingedeckt. Das sieht unter Deck immer klasse aus.   

Zur Vorspeise ist ein Fischteller geplant mit Forellenfilet, Lachs mit Honig-Senf Sauce und Thunfisch-Wraps. Wegen der straken Sonneneinstrahlung hat Nico uns den Raum abgedunkelt.

Bei der Zubereitung ist mein größtes Problem immer die Kapazität des Backofens und vom Gasherd. Irgendwie klappt das aber immer, wenn man z.B. das Ciabatta Brot vorweg backt. Mein Menü für die Gäste war: Lachsforelle auf Gemüsebeet, rosa Kalbsrücken, Grillkäse, Pfifferlinge, Zuckerschoten, Risotto, Wildkartoffeln, Salate und Kräuterbutter. Als Dessert wurden frische Erdbeeren mit Vanille Sauce und eine Mojito Creme serviert. Die Rückmeldung der teilnehmenden „Matrosen“ war sehr gut. Zum Essen wieder badische Weine, Bier und Cocktails. Nach dem Essen war die ausgiebige Reinigung der Gefäße und Teller angesagt. Gut, wenn dann Hilfe an Bord ist. Danke Karin.


Der Sonntag begann wieder mit einem ausgiebigen Frühstück, dass wie tags zuvor ausfällt. Für ein Geburtstagskind wurde eine nette Aufmerksamkeit vorbereitet.  (Glückwunsch noch einmal, liebe Petra D.) Auch die Zeit auf Vlieland wurde am Sonntag zur Inselerkundung genutzt. Die Erkundung war so ausgiebig, dass sogar die Brauerei Fortuna in den Dünen entdeckt wurde.

Zum Törn nach Harlingen wurde die Poseidon unter Vollsegel gesetzt. Ein wundervoller Anblick, wenn das Boot majestätisch auf dem Wattenmeer gleitet. Einige Seemeilen vor unserem Ankunftshafen wird der Segler quer gestellt und alle Segel eingeholt. Pünktlich um 16 Uhr machten wir in Harlingen fest, alle von der Sonne leicht gebräunt, glücklich und zufrieden. Auch bei der „Löschung“ der Fracht, mussten wir nur über ein Boot steigen und hatten durch die Gezeiten kaum einen Höhenunterschied zum Festland. Nach einem Abschlussfoto, vielen Umarmungen, WhatsApp-Gruppenerweiterung und Terminvereinbarungen auf dem Stoppelmarkt in Vechta, ging die Reise zu Ende.


Auf der Rückfahrt überkommt mich immer eine grenzenlose Müdigkeit, die ich mit Kaffee und viel Schnacken überwinde. Auch Tage später bin in noch ausgelaugt, kaputt und müde. Ich merke einfach, dass ich früher mal 35 Jahre alt war und sich hier etwas verändert hat. Der nächste Törn steht aber vor der Tür vom 06. – 08.Spet.24 – auf geht’s – die Segel müssen hoch.



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